Bittere Budgetverluste bei banalen Besuchen bedeutender Buchhandlungen

Als ein Blick auf den Kalender erkennen ließ, daß ich noch am selben Abend auf eine Geburtstagsparty einer guten Freundin eingeladen war und sich das Geschenkekaufen nicht mehr länger hinauszögern ließ, war ich nun doch gezwungen, mir so langsam über ein Geschenk klar zu werden. Da ich im Bezug auf Geschenke nicht unbedingt der begnadete Ideenlieferant bin, alle meine Freunde würden diese Aussage ohne zu zögern kräftig nickend bestätigen, pflege ich immer, bis zum letzten Moment die Sache vor mir herzuschieben. Wer weiss, vielleicht fällt mir ja auch mal noch was ein. Und da ich bei dieser Freundin mein Not-Reporteure, welches aus Douglas-Gutscheinen, Kino- oder Essensgutscheinen besteht, schon aufs Äußerste strapaziert hatte, mußte ich mir nun ernstlich Gedanken machen.

Mein planloses Irren durch die Innenstadt auf der Pirsch nach einem Geschenk führte mich in einen Buchladen. Eigentlich fand ich diese Idee nicht schlecht, vielleicht finde ich etwas passendes für sie. Nur habe ich in Buchläden immer das Problem, daß ich auch viel passendes für mich finde. So schwor ich mir bei irgend etwas mir sehr wichtigem (was es genau war, habe ich vergessen), daß ich für mich unter keinen wie auch immer gearteten Umständen ein Buch kaufen werde. Ich betrat den Laden und sah gleich am Eingang auf einem Tisch in einer Sonderaktion schöne Kunstbücher. Zwei Exemplare haben es mir sofort angetan. Das eine war eine Kunstsammlung von Monet, dessen Bilder mir schon immer gefallen haben, und das andere Buch war mit Kunstwerken von Rosina Wachtmeister. Da meine Freundin sich darüber wahrscheinlich nicht absonderlich freuen würde, nahm ich drei Bände für mich mit.

So würde ich nicht weiterkommen, dachte ich bei mir. Ich machte mir Gedanken, was meiner Bekannten wohl gefallen könnte. Ich ging zu den Cartoons. Ich mag nämlich den bissigen Humor, den einige Cartoonisten in ihren Werken zeigen.

Uli Stein hat ein neues Buch herausgebracht. Ich kannte es noch nicht. Dieser Mißstand muß selbstverständlich behoben werden. Da aber nur noch ein Exemplar vorhanden war, mußte ich für sie wohl doch ein anderes Buch suchen.

Eine freundliche Verkäuferin fragte, ob sie mir helfen könne. Ich verneinte und ging eine Treppe nach oben. Zufällig stieß ich an einen Tisch, auf dem einige Horrorbücher ausgestellt waren. "Hmmm!" dachte ich, "das wäre wohl was." Sie erzählt nämlich oft - und wenn ich sage oft, dann meine ich eigentlich zu oft. Viel zu oft - von solchen Büchern. Ich blätterte gedankenverloren im Buch umher. Als Dr. Leadbeader die Schädeldecke entfernt hatte, quoll ein drittes zuckendes Auge aus der klaffenden Wunde. Er legte mit dem Skalpell das Auge frei und Fingernägel und Zähne kamen im Gewebe zum Vorschein. Ich legte das Buch zur Seite. Ich kann an sowas keinen Spaß finden. Nun gut, ich bin ein weltoffener Mensch. Ich las noch einige Klappentexte, aber nachdem sich eine aufgebogene Büroklammer im Auge eines Superhelden wiederfand, der von drei Männern malträtiert wurde, mußte ich mir eingestehen, daß mir zu dieser Art von Literatur ein wenig der Zugang fehlt. Aber ich dachte, hier würde ich wohl am ehesten etwas passendes finden. Nach einer Stunde kam noch einmal die freundliche Verkäuferin, wieder schickte ich sie weg. Nachdem ich die Ordnung auf dem Tisch etwas meinem Ordnungssinn angepaßt hatte, beschloß ich, daß solche Bücher nicht gut für die Entwicklung eines Menschen sein können, und ich ging ein paar Regale weiter. Ich kam an den Kochbüchern vorbei, verweilte aber nur unterdurchschnittlich lange dort, weil sie nicht gerne kocht. Als ich auf dem Weg zu den Romanen bei den Bastelbüchern vorbei kam, stach mir ein preiswertes Origamibuch in die Augen. Ich ließ es aber liegen. Zumindest für fünf Minuten. Da sich meine Gedanken aber immer um das Mysterium der Papierfalttechnik drehten, konnte ich mich nicht richtig auf die Romane besinnen, und die ersten Beiden, die ich noch für mich mitnahm, konnte ich gar nicht intensiv begutachten. Aber die Autorin ist gut. Danach befand sich plötzlich auch noch das Bastelbuch auf meinem Arm. Ich war froh, daß ich es mitgenommen hatte. Ich hätte mich nur geärgert, wenn ich es liegen gelassen hätte.

Ein weiteres Mal suchte mich die freundliche Verkäuferin heim, die nun in der Zwischenzeit Mühe hatte, ihre freundliche Maske zu waren. Das Reorganisieren des Horrortisches hatte ihrer Laune stark zugesetzt, nachdem diese schon durch den Kunsttisch etwas in Mitleidenschaft gezogen worden war.

So langsam mußte ich aber auch zu Potte kommen, denn das spanische Backbuch drückte mir zu sehr gegen mein Handgelenk und ich hatte auch Mühe, die vier Bände der "Chronik dieses Jahrhunderts" auf meinem Bücherstapel zu balancieren.

Meine Augen glitten an den Regalen entlang, und als sich Titel wie "Aussöhnung mit dem inneren Kind", "Perlen der Baghavadgita" oder "Praxisbuch des magischen Wohnens" häuften, bemerkte ich, daß ich in die Esoterikabteilung abgeglitten bin. Da ich von der ganzen Sache nicht unbedingt viel halte, nahm ich nur "Das Magische Wissen vom Mond" und "Das Tao der ganzheitlichen Selbstheilung" mit. Diese Bücher sind bestimmt nicht schlecht, sie sind mir nämlich von einer anderen Kundin empfohlen worden. Oder sagen wir mal, ich sah das Leuchten in ihren Augen, als sie diese beiden Bücher gefunden hatte. Ein Gespräch fand eigentlich nicht statt, aber ich vertraute auf ihren Geschmack. Es war nicht sehr einfach, diese beiden Bücher zu bekommen, da sie selbst die beiden letzten Exemplare schon in ihren Armen hatte. Nachdem ich sie aber nicht mit Worten überzeugen konnte, mir die Bücher friedlich zu überlassen, mußte ich zu härteren Mitteln greifen. Als sie zu Boden stürzte und durch die Hiebe mit dem "Bebilderten Atlas der Erde" geschwächt war, konnte sie ihre Verteidigung mit der Enzyklopädie nicht aufrecht erhalten, und ich schnappte mir die beiden Bücher und wechselte das Stockwerk um ihren Beschimpfungen aus dem Wege zu gehen. Sooo wahnsinnig ausgeglichen scheinen diese Esoterikjünger auch nicht zu sein...

Ich empfand es als sinnvoll, meine Bücher neben dem frisch sortierten Horrortisch zwischzulagern. Die Verkäuferin (das Wort "freundlich" wäre hier in der Zwischenzeit fehl am Platze) rollte mit den Augen und herrschte mich an, ich solle diese Stapel doch bitte wieder in die Regale räumen, es sei eine Unverschämtheit, ihr diese Arbeit zuzumuten. Ich entgegnete, daß es nach meinem Empfinden äußerst unpraktisch erscheint, Bücher zurück in die Regale zu stellen, die man gerne erwerben möchte. Sie fragte etwas ungläubig, ob ich wirklich beabsichtigen würde, alle diese Bücher zu kaufen. Sie überschlug die Summe im Kopf, nachdem ich ihre Frage bejaht hatte, und just in diesem Augenblick kehrte auch wieder diese Freundlichkeit zurück. Sie brachte mir noch einen Kaffee und einen Stuhl. Ich fand aber nicht mehr viele interessante Bücher, und auch der Druck, endlich ein Geschenk finden zu müssen, störte etwas meine Ruhe, so daß ich meine gemütlich eingerichtete Ecke im Buchladen schon nach drei weiteren Stunden verließ.

An der Kasse sah ich eine andere Kundin, die ein Geschenk für ihre Tochter kaufte. Ich nahm das gleiche. Mit einem Gutschein kann man am wenigsten falsch machen. Ich konnte mich mit der Buchhändlerin auf neunzehn Monatsraten und Transport meiner Ware mit einer Spedition zu Lasten der Buchhandlung einigen und verließ glücklich den Laden. Am nächsten Tag schloß dieser Buchladen und die Verkäuferin setzte sich mit ihren restlichen Büchern, die sie in ihrer Handtasche transportierte, nach Teneriffa ab. Ich denke oft an sie, wenn ich den Teneriffa-Reiseführer durchblättere, den ich im Erdgeschoß der Buchhandlung bei den Kalendern gefunden hatte...

Sobad ich meinen Buchbestand wieder veräußert habe, werde ich ihr folgen...

Verfasst im Oktober 1997, Foto: manfred walker  / pixelio.de