August 2003

Es piepst

Die nervigste Erfindung seit Entdeckung der Elektrizität ist ohne Zweifel das Handy. Ein Handy klingelt nur, wenn man gerade am Postschalter steht und gerade frisch bedient wird; oder wenn man an der Kasse steht um zu bezahlen. Ein Handy klingelt hingegen nie, wenn man auf einen Anruf wartet. Dafür aber am Bahnschalter wenn man sich beraten läßt.
Als Handybesitzer geht man auch früher oder später dazu über, seinen Bekanntenkreis in Kategorien einzuteilen: in die Seltenanrufer, deren Verlangen, dich anzurufen, nur auftritt, wenn sie heiraten oder das Haus abgebrannt ist; in die Daueranrufer, die dich auch wecken, um dir mitzuteilen, dass sie gerade Nutella aufs Brot schmieren. Sollte man in einer ungünstigen Situation den Hörer abheben, wird man sie auch nicht mehr los. Haarklein erfährt man jedes unwichtige Detail. Ich habe mittlerweile etwas gelernt: ich sage in ungünstigen Situationen gleich "ich kann gerade überhaupt nicht telefonieren!", was dann auch der Wahrheit entspricht, dann geht das Telefonat auch nur eine Viertel Stunde. Die muss das Fräulen am Schalter dann auch aufbringen. Diese Gruppe könnte man auch "die Unsensiblen" nennen, denn das träfe es auch.
Dann gibt es noch die "ich wollte mal fragen, was du am Freitag Abend machst?"-Anrufer: Die richtige Reaktion zu finden ist sehr schwer. Hat man keine Zeit, hätte einen eine nette Party mit echtem Karviar, Champagner, netter Musik und Striptease-Einlage erwartet, hat man hingegen Zeit, darf man sich auf Babysitten, Blumen gießen oder Möbeltragen einstellen. Mich stört diese undefinierte Frage genau so, wie wenn sich jemand mit Rufnummerunterdrückung mit "ich bins" meldet.

Den Todsünden verfallen

Diesen Sommer besitzt es besonderen Chique, Stieleis nach den 7 Todsünden zu benennen. Ich hätte eine famose Idee für die Marketingabteilungen der Stieleisfabriken für das nächste Jahr: Man könnte das Eis auch nach großen Seuchen benennen. "Ich hätte gerne einmal Malaria und für meine Freundin ein Ebola bitte!" - "Entschuldigen Sie, mein Herr, Ebola kann ich Ihnen leider nicht anbieten, aber wir hätten dafür noch Syphilis und Feigwarzen. Und diese Woche im Angebot: Hepatitis A, B und C zum Preis von einem." Doch dies erst nächstes Jahr ...
Da der aus meinen Augen sehr gute Erziehungsstil meiner Eltern wenig Informationen über Todsünden bot (wofür ich meinen Eltern übrigens aufrichtig dankbar bin!), war zuerst ein wenig Informationsbeschaffung notwenig, um die eigentliche Bedeutung des Wortes "Todsünde" zu verstehen.
Es ist schon ein Zeichen einer guten Strategie, dieses Todeseis mit dem Zusatz "nur für kurze Zeit" zu versehen, denn selbst ich habe mir in panikattakenartiger Angst, eine wichtige - jedoch brilliante - Todsünde zu verpassen, gleich einen ganzen Sündenpfuhl mit allen sieben Sorten geholt.
Abgesehen vom Stieleis muß meine Lieblingstodsünde bisher die Völlerei gewesen sein. Seit man mit der Nennung einer Affinität zu einer Todsünde jedoch seine Vorliebe zu einem Eis bekannt gibt, muss ich sagen, dass ich der Wollust bisher am wenigsten abgeneigt bin, aber ich bin noch nicht mit allen durch.
Ich bin froh, dass ich eine ganze Kiste gekauft habe. Ich weiss nicht, ob ich am Kiosk die Verkäuferin hemmungslos fragen könnte: "Haben Sie Wollust?".
Auch wenig charmant: "So viel Faulheit auf einem Haufen habe ich auch noch nicht gesehen", nachdem eine neue Lieferung angekommen ist.
Die verschiedenen Sorten selber schmecken nicht schlecht, doch ich schwöre - und ein Pfeilspitzengiftfrosch soll mir in die Blutbahn schleimen, wenn ich lüge -, dass die Geschmacksrichtung "Tiramisu" in "Habgier" auch ohne Probleme als Geschmachsrichtung "kalter Aschenbecher" durchgehen könnte.
Ich neige zu der Ansicht, dass "kalter Aschenbecher" nicht der Renner im Eiscafe sein wird, und schon gar nicht "Habgier" erzeugen würde, aber darum nannte man es auch Tiramisu. Soviel Eitelkeit muss sein!

Ein Sonntag mit Wespen und Lesben

Am heutigen Sonntage war ich wieder einmal freiwillig gezwungen, ehrenamtliche Frondienste zu verrichten. Eigentlich ein herrliches Vergnügen. Nette Leute, nette Kinder, nette Kollegen, nettes Wetter. Doch wurde ich ebenfalls von zweierlei sich auch noch reimenden Gattungen heimgesucht, die sich jedoch durch eines deutlich unterschieden: den Grad meiner Zuneigung. Die gelbschwarz geringelten Flügelwesen genossen unvergleichbar weniger Sympathie als die buntbehaarten Lesben. Das störte die Gattung mit dem W und veranlasste diese, mir durch gezielte Stiche Schaden zuzufügen. Deshalb - Naturschutz hin oder her - gewährte mir eine der lesbischen Feen einen Wunsch, ich denke, die Wespen wären an seiner Erfüllung nicht berauscht.
Ist es eigentlich Verschwendung oder Selbstgerechtigkeit, wenn man einen Wunsch dafür verschwenden würde, gelbschwarzgeringelte Wesen aus der Welt zu verbannen? Ich sehe schon die Ökoschnepfen, die gerade vom Islandpullistricken aufschrecken und mit Spruchbändern, Kampfpamphleten und Sprechchören "Aber diese Geschöpfe sind für die Natur genau so wichtig wie ein Mensch!" auf meine Herberge Kurs nehmen. Aber auch Fruchtzwerge sind nicht so wichtig wie ein kleines Steak, sie haben nur so viele Kalorien, und auch in der Wespen-Frage irrt sich der Ökoschnepfenmund.

Reinigungsmund tut Weisheit kund

Auf meinem Heimweg schleppe ich mich regelmäßig an einer schäbigen Reinigung vorbei. Ich glaube, Reinigungen müssen immer schäbig sein. An einsamen Abenden oder wenn ich mich in Vollmondnächten von einer Seite auf die andere werfe, frage ich mich oft, ob Reinigungen per Verordnung gezwungen werden, vertrocknete Gummibäume vor vergilbten Plakaten mit kessen Sprüchen und dämlich grinsenden Hausfrauen im 50er-Ambiente im Schaufenster platzieren zu müssen.
"Sauberkeit macht sympathisch!" steht lieblos auf einem sprechblasenförmigen vergilbten Aufkleber. Wer sagt das? Der Gummibaum? Sollte der noch ein Wort sprechen können, so würde er "Wasser!" rufen, aber dieser Wunsch dürfte bereits vor Jahrzehnten in ihm versiegt sein.
"Sauberkeit macht sympathisch!" - Solche Aufkleber kann man nur in Reinigungen finden, den klebt sich niemand sonst auf sein Auto oder wohin man Aufkleber halt so klebt. Den klebt man höchstens auf die Mülltonne. Eigentlich eine trostlose Aussicht, wenn man als Aufkleberdesigner Waren produziert, die nur auf einer Mülltonne landen. "Guten Tag, ich bin der Holger, ich entwerfe Aufkleber für Mülltonnen und vergilbte Reinigungen", das dürfte ein schlechter Eisbrecher auf einer hippen Cocktailparty sein. Aber Aufkleberdesigner lädt man sowieso nicht auf Cocktailpartys ein, denn die findet man irgendwie unsympatisch. Vergilbte Reinigungen findet man ebenfalls nicht sympathisch, aber sie kommen nicht einfach ohne Einladung auf Cocktailpartys, und eigentlich macht sie das schon wieder sympathisch...

Film: Vier Hochzeiten und ein Todesfall

Es geht im Prinzip (wie der Titel schon sagt) um vier Hochzeiten und um einen Todesfall. Und um acht Freunde. Und nicht zuletzt um einen Mann und eine Frau, die wunderbar zusammenpassen, aber erst vier Hochzeiten und jede Menge Irrungen brauchen, um das herauszufinden.

Ein kurzweiliger Film, mit Andie MacDowell und Hugh Grant. In einer Nebenrolle mit dabei ist auch Rowan Atkinson (aka Mr. Bean) als Aushilfspfarrer.

Humor
Spannung
Unterhaltung
Erotik
Gesamt

Wenn Duschen nicht nur in Duschen geht...

Ich weiß nicht, ob Sie diese Situation auch kennen: Im brennend heißen gleißenden Sonnenlicht wandelnd wurde ich heute plötzlich nass, ohne übermäßig an Schweißausbrüchen zu leiden, wie es in den vergangenen Tagen gang und gebe war. Verwirrt nehme ich wahr, dass Wasser in Tropfen vom Himmel fällt. Von Angst erfüllt renne ich ins Haus – denn das Unbekannte verwirrte mich. Eine alte Frau im Haus konnte sich wage an dieses vom Himmel fallende Wasser erinnern. In ihrer Kindheit sei das schon häufiger vorgekommen.
Nun wäre ich ja nicht die Person, die alten Frauen aus der selben Wohnanlage Misstrauen entgegenbringt – „Senil wird sie sein, das alte Weib!“ denke ich und toleriere ihr wirres Plappern und die kesse Behauptung, diese Wasserbewerfung von oben habe man früher „Regen“ genannt.
Doch man tut den alten Weibern nicht gern Unrecht und so plagte mich ihre Rede. Nach einem Blick ins Lexikon muss ich feststellen, dass ich diesem Weibe Unrecht getan habe, aus ihr sprach die pure Wahrheit. In unseren Breitengraten soll dieses „Regnen“ früher üblich gewesen sein.
Doch den ersten Satz des letzten Absatzes muss ich wohl noch korrigieren, ich tue natürlich niemandem gerne Unrecht!

Ein Dahlie, die auszog, Tennisspielerin zu werden

Die Hitze rafft meinen letzten Funken Lebenswillen boshaft dahin. Schweißperlen des Hitzeschocks treten auf meine Stirn und tropfen auf das bereits zu schmelzen beginnende Telefon. Zischend verdampfen sie und tanzen auf dem flüssigen Plastik wie Wassertröpfchen auf der Herdplatte: Ja, es ist mal wieder Sommer!
Auf dem Killesberg in Stuttgart gibt es darum auch wieder die Ausstellung der buntesten Dahlien, die stramm und stolz der Hitze trotzen. Ein stumpfer Bleistift möge aus den Untiefen der Unterwelt emporfahren und mir durchs Herze schießen, wenn ich Lüge, aber es gibt da auch Dahlien, die in ballsportliche Wettstreits treten. So kann man bei einer Dahlie nach ihrem Namen noch den Zusatz "Tennisspielerin" auf dem Schild lesen. Es stünde mir ferne, sportliche Leistungen von Korbblütlern kritisch zu beäugen - und welches Recht hätte ich - doch neige ich dazu, die Auffassung zu vertreten, dass diese Dahlie nicht sehr erfolgreich im Wettkampf sein kann, das hätte man sonst schon im Fernsehen gezeigt bekommen.
Ob Dahlien nur eine Affinität zu Tennis besitzen, habe ich noch nicht geklärt. Es gibt zwar Dahlien, auf deren Schild "Rocksängerin" oder "Physiker" steht, aber Fussball scheint keine Sportart zu sein, die einer Dahlie angemessen ist. Nein, mein Herr, dazu soll man sie dann auch nicht zwingen, denn es soll ja auch noch ein wenig Spaß machen! Und was hat man sie nicht früher alles rumkutschiert: montags Schwimmen, dienstags Reiten, mittwochs Tennis, donnerstags Jazzgymnastik und freitags Ballet. Da freut man sich, wenn seine Sprösslinge eines dieser Hobbys zum Beruf gemacht haben. Beim Kaffeeklatsch lässt sich damit famos angeben. Da wird die Heidrun immer ganz neidisch.
Doch ich fürchte, ich schweife ab. Und das ausgerechnet jetzt, wo doch Hinz und Kunz endlich ein Thema gefunden haben, über das man auf der Straße ungezwungen beim Schweißabwischen mit wildfremden Menschen reden kann: die Hitze. Ein "Puh" mit theatralischer Schweißwegmachgeste genügt, schon schallt es einem gequält entgegen: "Hoffentlich ist diese Hitze bald vorbei, bei mir daheim da ist es am heißesten, da hat es 62°C noch Nachts um eins".
Aber ab morgen soll es kälter werden - arktische 30°C werden erwartet. Wir werden sehen. Solange mir eine Dahlie noch nicht meteorologische Vorhersagen macht, kann ich damit leben.

Auch noch ein Weblog? Interessiert doch keinen Schwanz!

Ja, das mag so mancher denken. Ich eigentlich auch. Warum ich das überhaupt mache, weiss ich selber nicht. Und wie lange das gehen wird, weiss ich genausowenig.
Naja, auf jeden Fall sei gesagt, dass ich jetzt also auch "blogge". Jetzt bin ich IN, jetzt bin ich hype, jetzt bin ich cool - wer wollte das nicht sein? Wenn ich mich coolfühlend mit meiner Pfälzer-Leberwurst-Stulle verschwitzt im Sofa räkle habe ich so wenigstens das Gefühl, der Welt mit meinen smooven Erfahrungen einen hippen Dienst erwiesen zu haben.
"Doch," werden manche sagen, "uns interessiert dein Weblog!" Aber es gibt ebenso Leute, die stehen auch viele Stunden mariahellwighörend mit ihrem an Unklimatisiertheit leidenden Polo im sonnigsten Stau, den die vereinigten asiatischen Antillen je registriert haben, und amüsieren sich gar königlich derob. Natürlich darf sich jeder in seinem individualnichtklimatisierten Polo freuen, wie ihm das Herze steht, ich würde das nie verbieten wollen. Und ebenso verbiete ich mir auch nicht, diesen durchaus langweiligen Weblog zu beginnen. Wenn es der Stimmung zuträglich sein sollte, Maria Hellwig während des Lesens zu hören ... nur zu!